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#235: Rechte Räume. Bericht einer Europareise
Geradezu seismografisch scheint die Architektur Entwicklungen vorwegzunehmen, die wir gemeinhin mit dem Erstarken der Neuen Rechten in den letzten Jahren in Verbindung bringen, die jedoch so neu nicht ist, wie Stephan Trüby, der das Projekt „Rechte Räume“ initiiert hat, in seinem Grundlagenbeitrag herausarbeitet. Die architekturpolitische Ideologisierung mit der nationalkonservativen Wende der sogenannten Berlinischen Architektur, auf die ARCH+ bereits 1994 mit dem Heft Von Berlin nach Neuteutonia aufmerksam gemacht hat (siehe auch ARCH+ 219: Klaus Heinrich: Dahlemer Vorlesungen – Karl Friedrich Schinkel / Albert Speer, 2015), geht der neurechten Entwicklung in der Gesellschaft Jahrzehnte voraus. Neu ist an der Neuen Rechten allenfalls die strategische und qualitative Veränderung, die den Rechtsextremismus normalisiert.
In ihrem Triumphzug führt die Neue Rechte als Beute die Baukultur als identitätspolitisches Programm mit. Damit dringt sie tief in die bürgerliche Mitte ein, schließlich ist niemand gleich rechts, nur weil er oder sie Rekonstruktionen schön findet. Deswegen war auch unser Aufruf zu einem Rekonstruktions-Watch im Sinne einer ideologischen Wachsamkeit gegenüber dem politischen Subtext solcher Projekte auf heftige Kritik gestoßen von Leuten, die sich nicht dem rechten Milieu zuordnen. Doch damit gehen sie den Rattenfängern auch schon auf dem Leim, die mit Begriffen wie „Schönheit“ und „europäische Stadt“ wirkungsvolle Nebelkerzen zünden. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass das nebulöse Label der europäischen Stadt von Anfang an anschlussfähig für das identitäre Programm der Neuen Rechten war.
Was tun? Die Aufgabe ist es, mit Walter Benjamin gesprochen, „die Geschichte gegen den Strich zu bürsten.“ Das ist das Ziel dieser Ausgabe.
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